CASH-ANLAGEN ALS ERSATZ FÜR AKTIEN
Wir haben es hier in erster Linie mit einem Nebeneffekt der globalen Finanzkrise 2008 zu tun, bei der sich viele Anleger die Finger verbrannten. Nachstehend finden Sie eine Übersicht über allgemein geltende Marktüberzeugungen. Ich werde diesbezüglich mit einigen Missverständnissen aufräumen.
1. Nicht kaufen, wenn man sich Sorgen macht
Wenn Sie warten, bis sich Ihre Sorgen gelegt haben, bevor Sie kaufen, dann werden Sie ewig warten. Marktteilnehmer sind immer besorgt. Tatsächlich ist diese Sorge ein positiver Mechanismus, der die Euphorie (welche das Ende der Hausse signalisieren würde) im Zaum hält. Wir stehen seit 2009 (Talsohle des Marktes) kontinuierlich vor Herausforderungen. So gab es praktisch jedes Jahr einen Grund, sich Sorgen zu machen und abzuwarten, statt zu investieren. Mal war es die Sorge, dass sich der Markt schon wieder zu stark erholt habe (2009), später der Bürgerkrieg in Libyen (2011), die europäische Schuldenkrise (2011-2-12) Ebola (2014), Brexit (2016), Handelskriege (2018-2019) oder Covid (seit 2020), wie die Tabelle unten zeigt.
Der Markt hat sie alle überstanden. Im selben Zeitraum hat der S&P 500 um +670% zugelegt.
Wichtiges Fazit für Anleger: Es ist nicht die Sorge des Moments, welche die Entwicklung der Finanzmärkte bestimmt. Diese sollte deshalb nicht überbewertet werden.
2. Zu viel Aufmerksamkeit für das aktuelle heisse Thema
Derzeit scheinen besonders drei Themen die Marktteilnehmer zu bewegen: 1. eine ausser Kontrolle geratende Inflation, die zu Zinsanstiegen führt; 2. weniger Unterstützung für die Finanzmärkte infolge der FED-Drosselungen; 3. Konjunkturabschwächung aufgrund der Situation in China (hartes Vorgehen der Aufsichtsbehörden, Turbulenzen im Immobiliensektor).
Alle sind besorgt, und alle diskutieren tagtäglich dieselben Themen. Analysten haben bereits sämtliche möglichen Szenarien durchgespielt. Was auch immer als Nächstes geschieht, wurde also bereits irgendwo in der Öffentlichkeit erörtert. All dies ist somit zumindest zum Teil bereits vorweggenommen. Nehmen wir als Beispiel den Tag, an dem die FED tatsächlich mit der Drosselung ihrer Anleihekäufe beginnt. Das wird die Märkte nicht nennenswert beeinflussen (Nicht-Ereignis).
Wichtiges Fazit für Anleger: Die Märkte reagieren auf neue und/oder unerwartete Informationen. Sie reagieren nicht auf Informationen, die bereits auf breiter Front diskutiert wurden.
3. Unterschätzen der Tatsache, dass wir ständig von negativen Meldungen umgeben sind
Es ist ein Spiel, und es läuft nach folgenden Regeln ab: Journalisten werden dafür bezahlt, ihre Nachrichten zu verkaufen. Was verkauft sich am besten? Schlechte Nachrichten! Der Tenor der Nachrichten in den Medien ist somit in gewisser Weise immer etwas negativ. Es ist nicht so, dass in der Welt nichts Positives geschieht, aber Journalisten müssen ihre Storys verkaufen.
Wichtiges Fazit für Anleger: Schlechte Nachrichten sind überproportional vertreten, auch in der Wirtschaft. Achten Sie einmal darauf: Viele «Finanzgurus» beschwören systematisch den nächsten Markthöchststand oder den nächsten Crash herauf.
4. Falsche Vorstellung von der Realität
Wie oft haben wir schon gehört, dass die Märkte zu teuer werden, und das jeden Tag noch mehr? Diese Aussage ist schlichtweg falsch. Die Bewertung des S&P 500 (beige Linie) zeigt uns, dass sich der Index in den letzten zwölf Monaten stabil gehalten hat.
Wichtiges Fazit für Anleger: Vertrauen Sie nicht blind auf Aussagen anderer. Der US-Markt steigt aktuell aus den richtigen Gründen (bessere Fundamentaldaten, unglaublich gute Unternehmensergebnisse).
5. Das Gesamtbild aus den Augen verlieren
Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass wir uns in einer langfristigen Haussephase befinden. Positiv ist, dass solche Phasen von langer Dauer sind. Im letzten Jahrhundert gab es zwei davon (1950 bis 1966 und 1982 bis 2000), die im Durchschnitt 17 Jahre anhielten. Die aktuelle langfristige Hausse begann im Mai 2013 und ist «erst» acht Jahre alt. Wenn wir Rückschlüsse aus der Vergangenheit ziehen können, befinden wir uns also gerade in der Mitte.
Die beiden Hauptfaktoren für die aktuelle Hausse sind der technische und der medizinische Fortschritt. Beides hat sich durch Covid-19 massiv beschleunigt. Durch die Lockdowns vollzieht sich der Übergang von der Offline- zur Online-Wirtschaft rascher. In der Medizin zeigt sich der Fortschritt noch deutlicher. Die Entwicklung eines neuen Impfstoffes dauert für gewöhnlich etwa zehn bis dreissig Jahre. Im Kampf gegen Covid-19 waren es nur elf Monate. Dieser Erfolg geht auf innovative Forschungsansätze zurück. Bei einer erfolgreichen Übertragung in andere Bereiche (wie Krebs oder Alzheimer) könnte die Lebensqualität von Millionen Patienten erheblich verbessert werden. Ironischerweise wurde die aktuelle langfristige Hausse möglicherweise durch Covid-19 verlängert.
Wichtiges Fazit für Anleger: Wir haben erst die Hälfte hinter uns, und Sie können darauf zählen, dass die positive Entwicklung der Aktienmärkte noch weitere fünf bis zehn Jahre anhält.
6. Market-Timing
Der Versuch, den Markt zu timen, ist letztlich zum Scheitern verurteilt. Wäre das so einfach, wären wir alle Millionäre und keiner von uns würde mehr arbeiten. Korrekturen sind immer nur im Nachhinein offensichtlich. Niemand weiss, wann sie passieren und wodurch sie ausgelöst werden.
Die meisten Anleger sind nicht diszipliniert genug und kaufen bei Marktkorrekturen nicht. Weshalb ist das so? Sie lassen sich durch die negativen Erklärungen dafür abschrecken, warum die Märkte nachgeben. Vergessen Sie nicht: Journalisten werden dafür bezahlt, Ihnen Angst zu machen. Sie warten also, bis sich der Staub legt. Und dann werden sich die Märkte bereits erholt haben:
Wichtiges Fazit für Anleger: Wenn Sie keine Kristallkugel haben, sollten Sie sich von der Idee verabschieden, den Markt timen zu wollen.
CASH-ANLAGEN ALS ERSATZ FÜR ANLEIHEN
Viele Anleger halten Cash, weil Anleihen das Ende ihrer Restlaufzeit erreichen und bei den derzeitigen tiefen Renditen keine Reinvestition erfolgt. Wenn Sie glauben, dass Sie in sechs oder zwölf Monaten oder auch in zwei Jahren zu guten Renditen reinvestieren können, dann überlegen Sie es sich besser noch einmal: Das ist ein Traum, nicht die Realität. Sie müssen akzeptieren, dass Anleihen ohne Risiko keine Rendite abwerfen. Für renditeorientierte Anleger empfehlen sich daher folgende Alternativen:
- Sehr defensive Reverse Convertibles (auf Aktien). Die Basiswerte sollten so sicher wie möglich sein. Indizes sind besser als Einzeltitel.
- Alternative Anlagen sollten als teilweiser Ersatz für ein Engagement im festverzinslichen Bereich betrachtet werden. Damit meine ich Hedgefunds und die Privatmärkte.
- China ist der einzige Markt, an dem Anleihen aktuell vielversprechender sind als Aktien. Ich analysiere gerade auf CNY lautende Staatsanleihen sowie erstklassige Unternehmensanleihen, da die CNY-Renditekurve über der von Währungen der «Industrieländer» verläuft. Natürlich gibt es ein Währungsrisiko, aber die Tatsache, dass der CNY angesichts der aktuellen Herausforderungen in China stabil bleibt, ist positiv zu werten.
Wichtiges Fazit für Anleger: Cash in der Absicht zu halten, es schon bald zu (erheblich) besseren Zinsen in den Anleihenmarkt zu reinvestieren, ist keine einträgliche Strategie. Die Zinsen werden vielleicht steigen, aber nicht in hohem Masse. Jetzt ist die Zeit, kreativ zu werden und einige Anleihen durch alternative Anlagen zu ersetzen. Ein opportunistisches und selektives Vorgehen vorausgesetzt, können auch defensive Reverse Convertibles Nutzen bringen.