Refik Anadol wurde 1985 in Istanbul in der Türkei geboren, erwarb dort einen Master of Fine Arts an der Bilgi-Universität und zog dann nach Kalifornien. Heute ist er ein weltberühmter Medienkünstler, Regisseur und Pionier auf dem Gebiet der Ästhetik maschineller Intelligenz. In seinem Studio in Los Angeles erforscht und entwickelt Anadol bahnbrechende Ansätze für Datenerzählungen. Er unterrichtet zudem am Department of Design Media Arts der University of California in Los Angeles.
«Ich möchte erforschen, wie sich unsere Wahrnehmung von Zeit und Raum verändert, da Maschinen unseren Alltag dominieren», so Anadol. «Ich bin fasziniert davon, wie KI uns die Möglichkeit eröffnet, neue Verfahren zur Schaffung erweiterter immersiver Umgebungen zu entwickeln, die eine dynamische Raumwahrnehmung ermöglichen.»
Für Anadol ist KI mehr als nur Machine-Learning-Algorithmen. Heute lernen Maschinen aus Datenquellen, indem sie Muster erkennen, und können dann auf der Grundlage des Erlernten, neue Muster entwickeln. «Technisch gesehen sind diese Daten die Erinnerung der KI», fügt Anadol hinzu. «Und diese Erinnerung kann hinsichtlich Farbe und Textur viele Formen annehmen. Als Künstler interessiere ich mich nicht nur dafür, wie die Technologie realistische Bilder erzeugen kann, sondern auch dafür, wie sie aus diesen Erinnerungen halluzinatorische Erfahrungen kreieren kann.»
Im Zuge ihrer Weiterentwicklung wird KI nicht nur die Kunst revolutionieren, sie wird uns auch bei der Entwicklung neuer Lösungen für unsere Probleme helfen können. KI wird bereits in der Medizin eingesetzt, um Krankheiten schneller und genauer zu diagnostizieren, als Menschen es vermögen, und sie kann auch helfen, wirksamere Behandlungen zu entwickeln. Sie wird letztlich zu einem kollaborativen Tool werden, das wir alle jeden Tag nutzen werden. Indem wir KI in unser Leben integrieren, werden sich auch die Arbeitsplätze der Zukunft weiterentwickeln müssen, denn die Technologie wird in der Lage sein, in vielen Bereichen und Branchen den Menschen zu ersetzen. Doch sieht Anadol auch den positiven Aspekt, denn KI wird auch viele neue Arbeitsplätze schaffen.
Revolutionierung der Kunst im digitalen Zeitalter
Anadol ist ein Pionier auf seinem Gebiet und der erste, der Künstliche Intelligenz in einem öffentlichen Kunstwerk einsetzt; sein Schaffen siedelt sich an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine an. Mit den uns umgebenden Daten als Ausgangsmaterial und einem computerisierten Geist als Kooperationspartner malen Anadol und sein Team mit einem intelligenten Pinsel und präsentieren radikale Visualisierungen unserer digitalisierten Erinnerungen. Der einzigartige Ansatz erweitert die Möglichkeiten von Architektur, Erzählung, Raum und Zeit. Das Ergebnis sind standortspezifische KI-Datenskulpturen, audiovisuelle Live-Performances, immersive Installationen und vielfältige NFTs. Ganze Gebäude erwachen zum Leben, Böden, Wände und Decken verschwinden in der Unendlichkeit, aus grossen Datenmengen entsteht eine atemberaubende Ästhetik, und was einst für das menschliche Auge unsichtbar war, wird sichtbar und eröffnet dem Publikum neue Perspektiven. Dabei regen Anadols Arbeiten dazu an, über unseren Umgang mit der Welt, ihre Zeitlichkeit und das kreative Potenzial von Maschinen nachzudenken.
In einer Zeit beispielloser klimatischer Umwälzungen ist er sich auch der Umweltauswirkung seiner Arbeit bewusst. «Ich gehe in Bezug auf den Energieverbrauch sehr umsichtig vor», sagt er abschliessend. «Ich verwende nicht energieintensive Blockchain-Technologien und setze auf Cloudcomputing, weil ich mit dieser energiesparenden Lösung meine Auswirkungen auf die Natur minimieren kann.»
Für seine Produktionen bringt er Künstler, führende Datenwissenschaftler und renommierte Forscher zusammen und situiert sich somit an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technologie. Seine Performances wurden an berühmten Orten, in Museen und bei Festivals auf der ganzen Welt aufgeführt und haben eine Reihe von Auszeichnungen und Preisen erhalten. Als früher Anwender der Blockchain-Technologie stellte Anadol auch einen neuen asiatischen Rekord für die teuerste Kollektion von NFTs auf, die je von einem einzelnen Künstler verkauft wurde.
Auswirkungen von KI und digitalem Wandel auf die Kunstszene und Anlagen in Kunst
Anadol geht nicht davon aus, dass KI-generierte Kunst traditionelle Künstler überflüssig machen wird, da der Einsatz von KI Künstlern weitere digitale Möglichkeiten eröffnet, ihr Handwerk weiterzuentwickeln. Möglicherweise werden sie sogar Dimensionen ergründen können, die ihnen bisher fremd waren. «Die Künstler der Zukunft werden in der Lage sein, Welten zu erforschen, die sie sich in der Vergangenheit nie hätten vorstellen können», so Anadol weiter, «in gewisser Weise wird damit die Latte für konventionelle Kunst höher gelegt.»
KI-generierte Kunst ist jedoch ein Bereich, der möglicherweise der Regulierung in irgendeiner Form bedarf. So hat etwa bei den Sony World Photography Awards 2023 der deutsche Künstler Boris Eldagsen mit seinem Beitrag «Pseudomnesia: The Electrician» in der Kategorie «Creative Open» gewonnen, dann aber den Preis nicht angenommen, nachdem er zugegeben hatte, dass sein Werk in Wirklichkeit von einer Künstlichen Intelligenz geschaffen worden war. Viele Künstler und Fotografen haben bereits rechtliche Schritte eingeleitet, weil sie befürchten, dass KI die Werke weltbekannter Künstler in unlauterer Weise nutzt. Manche glauben aber auch, dass KI nur ein weiteres kreatives Werkzeug ist, mit dem wertvolle Werke in einer neuen Kunstkategorie hervorgebracht werden können.
Für einen Künstler ist die Urheberschaft an den geschaffenen Werken ein wichtiger Aspekt. Bei traditionellen Werken sind es der Weg und die Erfahrung des Künstlers, die ihren Wert ausmachen, und Anadol ist der Ansicht, dass dies auch für die von seiner Software geschaffenen Werke gelten sollte. «Ich kann entscheiden, ob ein Stück an einen Sammler verkauft, einem Museum angeboten oder einfach für jedermann zugänglich gemacht werden soll», fügt er hinzu.
Förderung der Kunst und der Erforschung zukunftsweisender Trends durch Julius Bär
Julius Bär hat kürzlich die Initiative «NEXT» ins Leben gerufen, die die interdisziplinäre Erforschung von Megatrends in Kunst, Wissenschaft und Technologie fördern soll. NEXT zeigt, wie diese Bereiche zusammenwirken können, um neue Perspektiven zu eröffnen, und spiegelt die sich verändernden Prioritäten der Gesellschaft wider.
Im Rahmen der NEXT-Initiative von Julius Bär wird sich Refik Anadol auf eine bahnbrechende Reise begeben, um eine Reihe von multisensorischen Kunstwerken zu schaffen, die einen riesigen Datensatz von Gletscherbildern aus der ganzen Welt zur Grundlage haben. Der Künstler hat dieses Thema gewählt, weil es ein globales Symbol für ein Lebenselixier und die Zerbrechlichkeit der Welt ist. Das Kunstwerk «Glacier Dreams» wird in mehreren Kapiteln und an verschiedenen Orten realisiert. Das erste Kapitel wurde während der Art Dubai 2023 als immersiver Raum in der Julius Bär Lounge präsentiert (siehe Video oben). Die nächsten Kapitel werden als Projektionen im ArtScience Museum in Singapur und während der Art Basel im Theater Basel zu sehen sein. Das Kunstwerk besteht aus faszinierenden Bildern, hypnotisierendem Sound und sogar einem von der KI erzeugten Duft. «Nachdem ich mehr als zehn Jahre lang Werke an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technologie geschaffen habe», sagt Anadol, «freue ich mich, dass wir nun an einen Punkt gelangt sind, an dem diese Überschneidung als neue Realität angesehen wird. Ich wollte schon immer die neuesten Technologien auf eine Weise nutzen, die über ihren ursprünglichen Anwendungszweck hinausgeht. Ich betrachte Maschinen als Kooperationspartner und gehe an die Grenzen des Möglichen, indem ich Daten auf poetische Weise nutze.»